Alleine reisen mit Kind: zu zweit die Welt entdecken
Alleine reisen mit Kind ist eine echte Herausforderung? Oder vielleicht auch nicht! Isabel von A nomad abroad reist mit ihrer Tochter durch die Welt und hat mir einen Einblick gegeben, wie solche Mutter-Kind-Reisen funktionieren. Sie verrät unter anderem wie sie die logistischen Herausforderungen meistert, was sie beschäftigt und wie sie es mit dem Thema Sicherheit hält.
Ein Gespräch über das alleine reisen mit Kind
Seid ihr schon vor der Geburt eurer Tochter viel gereist?
Als Paar waren mein Mann und ich auch vor der Geburt unserer Tochter viel unterwegs, mehrmals im Jahr, so wie die meisten anderen auch. Mit Reisen hatte das aus heutiger Sicht wenig zutun. Wir sind in den Urlaub gefahren, haben es uns gut gehen lassen. Wirklich tief eingetaucht in eine andere Welt sind wir nur selten. Heute sieht das anders aus. Reisen bedeutet für mich meist keine Erholung. Es ist aufregend und vor allem eins: anstrengend.
Wann habt ihr euch mit Kind das erste Mal auf den Weg gemacht und wohin ging es?
Unser erstes richtiges Abenteuer außerhalb von Deutschland, das zur Abwechslung mal nicht ins benachbarte Holland ging, war ein Roadtrip über die Kanareninsel Fuerteventura. Mein Sicherheitsbedürfnis war zu dieser Zeit mit Baby noch sehr hoch und mehr Mut hatten wir erst mal nicht.
Welches Alter des Kindes ist für dich die perfekte Zeit für eine Elternzeitreise?
Puh, schwierig. Einen wirklich perfekten Zeitraum für eine Reise in der Elternzeit kann ich individuell für meine Tochter und mich vermutlich erst festlegen, wenn sie, wie man immer so schön sagt, aus dem Gröbsten raus ist. Ich habe die Vorzüge eines Tragebabys immer sehr genossen. Die Kids sind dann überall dabei, die Ausschau genügt ihnen meist. Heute weiß ich den Austausch mit meiner Tochter und ihre Einwände und Vorschläge sehr zu schätzen, sie beteiligt sich aktiv an der Reiseplanung. Manchmal darf ich ordentlich verhandeln, damit wir am Ende auch dort landen, wo ich gerne hin möchte.
Was hat sich für dich am Reisen geändert, seitdem deine Tochter mit dabei ist?
Eigentlich alles. Ich habe insgesamt einen anderen Blick auf Tourismus, Nachhaltigkeit, den Sinn des Lebens und die ganze Welt bekommen, seit ich Mutter bin. Ich hinterfrage viel mehr als zuvor, sehe Dinge kritischer. Ich würde heute niemals mehr ein Souvenir bei einem Kind in einem Entwicklungsland kaufen und auch keine Malstifte oder Spielsachen verschenken. Vor ein paar Jahren hätte ich da nichts Verwerfliches dran gefunden. Wir versuchen rücksichtsvoll zu reisen, da wir häufig fliegen mag ich da nicht mehr von einem nachhaltigen Reisestil sprechen.
Wie kam es zu der Entscheidung, dass du alleine mit Kind durch die Welt reist?
Das ist eine rein pragmatische Entscheidung gewesen. Vor zwei Jahren haben wir unser Haus samt Inventar verkauft und nicht wie geplant gleich umgehend eine neue Bleibe gefunden. Aus der Not wuchs die Idee, dass wir unser Leben spontaner und leichter gestalten möchten. Wir leben „zu Hause“ nicht das klassische Rollenmodell mit der Frau am Herd und dem Geld verdienenden Mann, allerdings kann ich meine Arbeitszeiträume viel flexibler gestalten und bin nicht mehr in Vollzeit berufstätig. Mein Mann muss sich seine freie Zeit viel kritischer einteilen und kann uns somit nicht immer begleiten.
Mich selbst quält großes Fernweh, und das dauerhaft. Deswegen bin ich viel alleine mit meiner Tochter unterwegs.
Hast du keine Angst oder Bedenken, wenn du mit deiner Tochter alleine reist? Wie sieht es mit dem Thema Sicherheit aus?
Schlimme Dinge können uns auch zu Hause in Deutschland widerfahren, überall auf der Welt leben Familien und auch dort werden Kinder groß. Risikogebiete meiden wir bewusst, ich würde zum Beispiel kein hohes Malaria-Risiko in vielen afrikanischen Ländern eingehen, für das schon bei der Anreise eine Medikation empfohlen und kein Stand-by-Präparat für den Fall der Fälle ausreichend ist.
Kritische Situationen habe ich mit meiner Tochter und meinem Mann bereits gemeinsam erlebt. In vielen Dingen kann man sich gegenseitig unterstützen, manchmal sind Probleme durch einen zweiten Erwachsenen vor Ort auch nicht einfacher zu lösen als alleine. Von daher sehe ich das ganz entspannt. Wir waren letztes Jahr vom Erdbeben in Indonesien betroffen, trotzdem reisen wir auch dieses Jahr wieder dort hin. Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass Naturkatastrophen in diesen Breitengraden häufiger auftreten. Wenn man sich aber mal mit dem Risiko von verschiedenen Urlaubsländern auseinandersetzt, dann wird man schnell merken, dass eigentlich alle bei uns beliebten Reiseziele nicht ungefährlich sind. Selbst Ägypten liegt in einer seismisch aktiven Zone, dafür muss ich also nicht nach Borneo oder Sulawesi fliegen. Hier findest du meine Erfahrungen als allein reisende Frau mit Kind in Ägypten
Wie hat die Familie, Freunde und der Bekanntenkreis reagiert, als ihr publik gemacht habt, dass ihr beiden überwiegend alleine reist?
Die meisten sind verwundert darüber, dass ich mir das als Mutter mir Kleinkind „antue“. Wie anstrengend das doch sein muss: Die Abfertigung am Flughafen, der Flug selbst, aber auch der gesamte Urlaub. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Mir machen keinen Dauerurlaub. Das könnten wir uns finanziell gar nicht leisten, sondern wir reisen. Dazu gehört, dass wir auch unterwegs einem genau so wenig geregelten Alltag wie zu Hause nachgehen. Bei uns ist alles entspannt, aber Dinge wie Wäsche waschen, Essen organisieren oder die nächste Übernachtungsmöglichkeit finden wollen gut geplant sein. Zu Hause würde ich etwas kochen, unterwegs muss ich eine Straßenküche auftun, an der wir uns etwas kaufen können oder nette Einheimische, die unsere Kleidung gegen eine Gebühr mit waschen. Auch das kann aufwändig sein, allerdings ist für mich nichts so stressig wie ein dauerhaftes Wohnen und Leben in Deutschland. Reisen sehe ich heute gar nicht mehr so sehr als Kostenfaktor, sondern eher als eine Investition in die Zukunft und Entwicklung meiner Tochter.
Was ist für dich das Besondere am Reisen mit deiner Tochter?
Die Zweisamkeit und vor allem, dass wir gemeinsam neue Dinge lernen und sehen, die ich zuvor selbst nicht kannte. Zu Hause in Deutschland sind wir als Eltern unseren Kindern immer einen Schritt voraus, unterwegs ist das anders. Und mit der richtigen Begleitung ist es fast überall schön.
Wie schaffst du das finanziell? Arbeitest du von unterwegs?
Mein Mann und ich arbeiten beide in Teilzeit, aufgrund meiner geringen Arbeitszeit kann ich viel unterwegs sein. Wir haben bereits vor unserer ersten langen Reise einiges in unserem Leben umgekrempelt. Dazu gehörte auch, dass wir uns von möglichst viel Besitz trennen und nur noch die Dinge behalten, die wir wirklich zum Leben in Deutschland brauchen. So können wir flexibel agieren und sind nur minimal an äußere Einflüsse gebunden. Mit wenig Gepäck reist es sich einfach leichter – das kann man auch auf ein sesshaftes Leben in Deutschland übertragen. Heute gibt es so viele Möglichkeiten Geld zu verdienen, viele Tätigkeiten lassen sich von unterwegs erledigen oder digitalisieren, davon profitieren auch wir als Familie.
Wie wählst du die Reiseziele für eure Mutter-Kind-Reisen aus?
Wir sind gerne im asiatischen Raum unterwegs und mögen Menschen, Kultur und natürlich auch das Essen dort ganz besonders. Deswegen schauen wir immer, was wir dort noch nicht gesehen haben und was mit Kind realisierbar ist. Die Reisen sollen ja allen Familienmitgliedern Spaß machen.
Gepäck, Kinderwagen, Autositz – logistische Herausforderung! Wie machst du das?
Ja, das stimmt. Aber auch hier lohnt es zu überlegen, was man wirklich braucht. Ich habe schon Eltern getroffen, die einen separaten XXL-Koffer von Insel zu Insel mitgeschleppt haben, um der Puppen- und Barbie-Sammlung der beiden Töchter ebenfalls die Welt zu zeigen. Wir haben uns eine Grenze von einem Rucksack pro Erwachsenem gesetzt. Wenn ich mit meiner Tochter alleine unterwegs bin, dann teilen wir uns ein Gepäckstück. Meistens schaffen wir es tatsächlich auch zu zweit nur mit Handgepäck zu reisen.
Sicherheit ist für mich nicht verhandelbar. Wenn wir mit dem Auto fahren, dann haben wir auch einen Kindersitz dabei. Früher war das die Babyschale, heute haben wir einen Reisesitz von Nachfolger, der als Reborder genutzt werden kann. Entgegen der landläufigen Meinung, dass es in vielen Ländern gar keine Gurte gibt, sind wir bisher überall fündig geworden. Einfacher ist es natürlich mit dem Zug, da braucht man keinen Kindersitz.
Wenn ich weiß, dass wir viel in Städten unterwegs sind, nehme ich einen Buggy mit. Es gibt mittlerweile gute Produkte für reisende Familien, die absolut ihren Zweck erfüllen und nur wenig Raum benötigen. Unser Buggy lässt sich so klein falten, dass ich ihn ebenfalls als Handgepäckstück mitnehmen kann. Er eignet sich auch gut als Karre um den Rucksack mal ein Stück zu schieben. Aber auch nur, wenn die Straßenverhältnisse passen, was in Asien häufig nicht der Fall ist.
Wie machst du das mit der Krankenkasse, wenn du längere Zeit unterwegs bist?
Unterwegs braucht man eine Auslandskrankenversicherung, die würde ich auch jedem immer empfehlen. Auch bei einem Pauschalurlaub auf Mallorca oder einem verlängerten Wochenende in Holland kann etwas passieren. Gerade Kinder werden manchmal unerwartet krank. Insbesondere bei Babys muss man oft schneller handeln, meine Tochter kann mir inzwischen ganz gut erklären, wenn ihr etwas fehlt, sodass ich da mittlerweile recht entspannt bin.
Für längere Auslandsaufenthalte gibt es spezielle Versicherungstarife – auch für Familien. Es lohnt sich auf jeden Fall verschiedene Angebote einzuholen und sich individuell beraten zu lassen. Für Eltern, die alleine mit Kind reisen, bietet sich zum Beispiel das sogenannte „Rooming-in“ an. Der Reisepartner wird dann immer mit ins Krankenhaus aufgenommen, wenn einer von beiden krank wird. Wir planen finanziell immer so, dass mein Mann im Notfall anreisen könnte und sich um unsere Tochter kümmert, wenn ich unterwegs ernsthaft erkranken sollte.
Was hast du für die Zukunft geplant?
Jede Menge, aber vieles ist auch offen. Für mein Wohlbefinden verbringe ich jedes Jahr möglichst lange Zeiträume im Ausland. Dieses Jahr, im Juni, starten wir wieder in Malaysia und Indonesien, werden anschließend meine – nach Macau ausgewanderte – Freundin besuchen und das mit einem Aufenthalt in China verbinden. Dann geht es weiter nach Myanmar und im Dezember kommen wir dann in Thailand an.
Planst du alles explizit vorab oder lässt du auch Freiraum für Spontanität?
Meist plane ich flexibel, denn auch wenn meine Tochter reiseerfahren ist, kann immer mal etwas dazwischen kommen. Ganz ohne Planung ist es für mich auch nicht entspannt, da ich gerne wissen möchte, wo wir in den kommenden Tagen schlafen und was es dort zu entdecken gibt. Ich recherchiere gerne vorab, bereite Aktivitäten vor und überlege, wie sich das (alleine) mit Kind realisieren lässt. Wenn es uns irgendwo besonders gut gefällt, bleiben wir einfach länger.
Hast du einen Tipp oder was kannst du Eltern mit auf den Weg geben, die gerne mal mit ihrem Kind alleine reisen würden, aber sich noch nicht so recht trauen?
Einfach machen! Ich habe festgestellt, dass das Leben unterwegs mit Kindern meist viel einfacher und entspannter ist, also zu Hause. Gerade wenn man ‚richtig‘ in den Urlaub fährt, warten vielen Annehmlichkeiten. Aber auch auf unseren Backpacking-Reisen kommen mir unterwegs viele Sachen einfacher vor als daheim.
Kinder, die nicht gerne im Auto sitzen, meistern einen Flug vielleicht trotzdem ganz entspannt und sitzen auf Ausflügen neugierig im Linienbus oder Zug. Das sind ja Dinge, die man zu Hause nicht in Erwägung zieht, wenn man ein Auto besitzt.
Auch die medizinische Versorgung über die Auslandskrankenversicherung kann ich Ländern wie Malaysia oder Thailand um Längen besser sein, als für Kassenpatienten in Deutschland. Mich stressen mehrere hundert Kilometer auf der Autobahn mit Kind deutlich mehr, als ein Flug. Gerade wenn man innerhalb Europas unterwegs ist, ist nicht mit zusätzlichen Kontrollen am Flughafen zu rechnen und die Strecken sind auch überschaubar.
Der letzte Satz von meinem Mann, als meine Tochter und ich unsere erste Reise allein nach Malta angetreten haben, den ich ihm bis heute mit Genugtuung unter die Nase reibe, lautete: „Ich bin gespannt, nach wie vielen Tagen ich euch dort wieder abholen kann!“Unterwegs waren wir mit einem one-way Ticket, auf unbestimmte Zeit. Zurück gekehrt sind wir erst mehrere Wochen später. Der Mut, den ersten Schritt zu wagen, hat sich rückblickend sehr gelohnt, denn seitdem sind wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu zweit unterwegs und freuen uns jetzt schon sehr auf unsere Zeit in Malaysia, Myanmar und Thailand, in die wir bald starten!
Isabel leidet dauerhaft an Fernweh und kompensiert dieses mit möglichst vielen und zum Teil auch langen Reisen durch die Welt. Seit fast drei Jahren wird sie von ihrer Tochter begleitet. Die Geburt des Kindes hinderte sie nicht am Reisen, ganz im Gegenteil. Lass dich inspirieren und schau mal bei Isabel vorbei:
Website: anomadabroad.com
Instagram: A nomad abroad
Facebook: A nomad abroad
Herzlichen Dank Isabel, für diesen wundervollen Einblick in euren Reisealltag. Ich finde es sehr mutig alleine mit Kind zu reisen und bekomme selbst immer wieder Fernweh, wenn ich deine Beiträge und Reisen verfolge. Ich wünsche euch auch weiterhin eine unvergessliche Zeit und viele tolle Erlebnisse.
Wär das alleine reisen mit Kind auch etwas für dich?
Wir freuen uns auf deinen Kommentar!
Liebe Tanja,
das ist ja mein absolutes Herzensthema! Ich reise mit meinem Sohn schon seit seiner Geburt allein, und es ging mir wie Isabel, dass ich erst einmal den Mut finden und mich herantasten musste, bevor ich nach gut vier Jahren so weit war, für vier Monate loszuziehen. Seit dieser Langzeitreise blogge ich über meine Solotrips mit Kids, um auch andere dazu zu ermutigen. Auch in meiner Facebook-Gruppe „Allein Reisen mit Baby und Kind“ mit inzwischen über 1000 alleinreisenden Elternteilen (99% Mamas ;-)) gibt es immer wieder Ermutigung, Tipps und Infos – und ab 8. Juni schließlich auch in Buchform: https://www.amazon.de/Allein-Kind-unterwegs-Reisen-Kindern/dp/3946323103/
Warst du selbst denn schon allein mit Kind unterwegs?
Liebe Grüße
Angela
Liebe Angela,
vielen Dank für die tolle Ergänzung. Deine Facebookgruppe werde ich gleich direkt mal suchen. Ich war gerade ein paar Tage mit meiner Tochter alleine in Dänemark. Wir müssen das noch ein wenig üben, aber im Großen und Ganzen hat es erstaunlich gut geklappt. Wir sind zwar viel zu Zweit unterwegs, aber bisher meist zu Besuch bei Familie oder Freunden, so dass ich doch meist nicht ganz alleine mit ihr war. Aber Isabel inspiriert mich da wirklich immer wieder aufs Neue und daher wollte ich mich jetzt mal vermehrt dem Thema widmen, da mein Partner nicht unbedingt auf jedes Reiseziel Lust hat. Dann werde ich gleich mal auf deinem Blog stöbern gehen. Den ein oder anderen Beitrag habe ich bei dir schonmal gelesen, aber das genaue Modell hatte ich gar nicht vor Augen.
Viel Erfolg mit deinem Buch!
Vielen Dank und liebe Grüße,
Tanja
Da stimme ich zu: Spannend und die Hintergründe hatte ich auch nicht auf dem Schirm. Wenn die Frage erlaubt ist: wie kommen denn Vater und Kind damit klar, sich mehrere Wochen und Monate nicht zu sehen?
LG, Nicome
Liebe Nicole,
wir leben schon immer einen sehr flexiblen Familienalltag und dank digitaler Medien ist es mit der Kommunikation auch recht einfach, auch wenn man sich durch den Bildschirm natürlich nicht anfassen oder in den Arm nehmen kann :-)
Liebe Grüße
Isabel
Sehr spannend! Ich kannte das Blog, hab dort aber irgendwie nie so hinter die Kulissen gelesen, dass ich bemerkt hätte, dass da so ein alternativer Lebensentwurf hinter steckt. :)
Hallo Lena,
merklich viel habe ich darüber auf unserer Seite auch nicht geschrieben, da ich dort hauptsächlich Reiseberichte notiere und Bilder sammle :-)
Umso mehr habe ich mich über Tanjas Einladung zum Interview gefreut.
Liebe Grüße
Isabel